© Venedigertour

eine magische Tour zur Venedigerkrone

oder wenn die 1100 Höhenmeter zur Hütte im Aufstieg schneller zurückgelegt werden als im Abstieg

12.07.2024

Tourenleitung: Sigi Stangl

Teilnehmende: Maria, Markus, Johannes, Günther, Alex, Sigi, Fred und Nicole

Sechs hochmotivierte Hochtourenfreunde und zwei -freundinnen trafen sich um 5 Uhr am traditionellen Treffpunkt in Deggendorf und machten sich mit zwei Autos auf den Weg ins ursprüngliche Osttirol. Unsere Autos parkten wir am Matreier Tauernhaus. Aufgrund der schlechten Wetterprognose ab Mittag beschlossen wir, unseren Hüttenanstieg zur Neuen Prager Hütte mit Marios Panorama-Taxi nach Innergschlöß etwas abzukürzen. Innergschlöß (1689 m) ist eine kleine Ansiedlung von urigen Almen. Das Innergschlößtal gilt als einer der schönsten und malerischsten Talschlüsse im Ostalpenraum und liegt im Nationalpark Hohe Tauern. Zahlreiche Wasserfälle stürzen links und rechts zu Tal und wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Am Ende des Talschlusses zeigte sich bereits das Schlatenkees, das uns am Sonntag unseren Weg zur Venedigerkrone weisen sollte.

Als wir unser Gepäck an der Materialseilbahn aufgegeben hatten, waren wir noch sehr zuversichtlich, zumindest den Großteil der Strecke einigermaßen trocken zurücklegen zu können. Meteoblue sagte ja auch nur eine Regenwahrscheinlichkeit von 47 % voraus. Als Anstiegszeit zeigte uns der Schilderbaum 3 Stunden zur Alten Prager Hütte und 4 zur Neuen.

Voller Vorfreude nahmen wir die 1100 Höhenmeter in Angriff und wanderten zunächst durch schöne Almblumenwiesen. Ein kleiner Vorfall zwischen Markus und den Hinterlassenschaften einer Kuh amüsierte uns recht, weil sich niemand den Ablauf erklären konnte. Wir waren noch nicht lange unterwegs, als der erste Donner ergrollte und sofort auch gleich dicke Regentropfen vom Himmel fielen, die bald in einen lästigen Dauerregen übergingen, der uns (trotz Regenkleidung) bis auf die Haut durchnässte. Das nahende Gewitter spornte uns an und wir waren in einer Spitzenzeit an der Alten Prager Hütte. Die Alte Prager Hütte wurde 1872 (wie der Name schon vermuten lässt) von der Prager Sektion erbaut und birgt heutzutage ein kleines Museum, das uns einen Einblick in damalige Beherbergung bietet. Von der Alten Prager Hütte aus eröffnet sich unter normalen Bedingungen auch der Blick zum beeindruckenden Gletschertor des Schlatenkees. Wir hatten aufgrund des grausligen Wetters aber weder einen Sinn für die Gletschernaturschönheit noch für die Relikte historischer Zeiten. Wir wollten einfach so schnell wie möglich unser Ziel, das wir nun vor Augen hatten, erreichen. Also machten wir erneut Tempo und legten die restlichen Höhenmeter zur Neuen Prager Hütte begleitet von Blitz und Donner in einer Rekordgeschwindigkeit zurück und überholten sogar eine Gruppe, die 45 Minuten vor uns gestartet war.

Da wir vor unseren Rucksäcken an der Neuen Prager Hütte (2796 m) ankamen und keine trockene Wechselkleidung hatten, mussten wir uns anderweitig behelfen und bestellten eine Runde Jagertee, der noch einige weitere folgten. Nahezu der komplette Jagerteebestand der Hütte musste dran glauben, damit uns wieder einigermaßen warm wurde. Jedenfalls verbrachten wir einen griabigen Hüttennachmittag. Am Abend zeigte sich sogar noch die Sonne und wir bestaunten den faszinierenden Ausblick von der Terrasse der Neuen Prager Hütte auf die Gletscherwelt und die umgebenden Schneeriesen.

Die Wetterprognose für Samstag war wenig aufmunternd und so beschlossen wir, den Gipfeltag auf Sonntag zu verlegen, wo ein stabiler Tag mit vielen Sonnenstunden vorhergesagt wurde. Da das Wetter am Samstag aber viel besser als prognostiziert war, nutzen wir den Pausentag, um die Gegend um die Hütte zu erkunden und den optimalen Zustieg zum Gletscher zu suchen. Wenige Höhenmeter entfernt von unserer Basisstation befindet sich das Vordere Kesseltörl mit einem schmiedeeisernen Kreuz, von wo aus man einen schönen Blick auf die kläglichen Reste des Viltragenkees hat. Vom Törl hoch zum Hausberg der Hütte, dem Hinteren Kesselkopf (2897 m), verläuft ein schöner Grat, der uns nahezu zu einer Gratkletterei aufforderte. Ich musste an einen Isländer denken, der zu mir einmal sagte: „Der Wetterprognose darf man immer trauen, aber niemals dem Wetter.“ Wie treffend. 

Bei der anschließenden Kaffee- und Kuchenrunde reifte in unserem Tourenführer Sigi der Plan, so zeitig loszugehen, dass wir den Sonnenaufgang auf dem Kleinen Venediger erleben konnten und zugleich vor dem Ansturm der zahlreichen Venedigeraspiranten wieder weg waren. Gesagt, getan, es war nicht viel Überzeugungsarbeit nötig (höchstens bei dem ein oder anderen 😉): Der Wecker wurde auf kurz nach 2 Uhr gestellt und nach einer Stärkung mit dem uns zur Verfügung gestellten Thermofrühstück zogen wir um 3 Uhr mit unseren Stirnlampen los. Leider hatte der verregnete Aufstieg am Freitag und die Tatsache, dass wir pitschnass waren, ein Opfer gefordert und ein Teilnehmer musste aus gesundheitlichen Gründen schweren Herzens auf der Hütte warten. Unser ursprünglicher Plan, zwei Viererseilschaften zu bilden, war somit nicht mehr möglich. Also wurde kurzerhand beschlossen, einfach eine Siebenerseilschaft zu bilden, um sicher über das spaltenreiche Kees zu kommen. Obwohl sieben Personen für eine Gletscherseilschaft eigentlich zu viel sind, waren wir trotzdem sehr flott unterwegs, was daran gelegen hat, dass unsere Truppe einfach unglaublich fit war.

Die Wolkenstimmung während der Morgendämmerung bot uns ein bezauberndes Farbenspektakel, das sich mit Worten kaum beschreiben lässt und wovon wir noch lange träumen werden. Die Tatsache, dass wir bei Sonnenaufgang ganz alleine auf dem Kleinen Venediger (3477 m) standen, war einfach ein Erlebnis der ganz besonderen und sicherlich unvergesslichen Art. Allerdings hatten wir am Gipfel einen so heftigen Wind, dass man Schwierigkeiten hatte, Luft zu bekommen. Diesem Wind hatten wir ja auch die schönen Wolkenstimmungen zu verdanken. Beflügelt von den tollen Eindrücken und begleitet von dem stürmischen Wind zogen wir weiter zum höchsten Punkt unserer Runde, dem Großvenediger (3666 m). Der Grat zum fünft höchsten Berg Österreichs war schneebedeckt und optimal zu gehen. Aber auch hier blies es so heftig, dass man sich breitbeinig gegen den Wind stemmen musste, um nicht umgeworfen zu werden. Selbst Sigi hatte bei einer ungünstig gewählten kurzen Pause, wo er komplett exponiert auf dem Grat warten musste, seine Not, das Gleichgewicht zu halten. Sehr bald erblickten wir das Kreuz der „weltalten Majestät“ und konnten unser Glück kaum fassen, auch dort waren wir die ersten Gipfelstürmer an diesem Sonntag. Unser Plan ist aufgegangen! Wir legten eine längere Gipfelrast ein, die unter anderem für ein ausgiebiges Fotoshooting genutzt wurde, und genossen ganz einfach die Stille und den atemberaubenden Ausblick auf die faszinierende Bergwelt.

Als wir bereits auf dem Weg zum 3. Dreitausender waren, dem Hohen Aderl (3504 m), sahen wir aus der Ferne die zahlreichen Seilschaften, die sich wie Ameisen von den drei Ausgangspunkten Kürsinger Hütte, Neue Prager Hütte und Defregger Haus auf ihr Tagesziel zubewegten. Wir beobachteten den Tross kurz mitleidig und waren Sigi für seine Idee, so zeitig aufzubrechen, unglaublich dankbar. Das Glück, alleine auf dem Gipfel eines so prominenten Gipfels zu stehen, wird einem nicht so oft beschert. Nach dem Hohen Aderl nahmen wir über das Rainertörl (3422 m) Kurs auf den 4. Gipfel, das Rainerhorn (3560 m). Wir zogen die erste Spur auf die zweithöchste Erhebung der Venedigergruppe. Sigi spurte als Seilführender unermüdlich durch die steile Westflanke und suchte die optimale Linie für uns. Leider zog beim Aufstieg Nebel auf, sodass die Sicht etwas beeinträchtigt war. Bei guter Sicht hat man vom Gipfel einen wunderschönen Blick auf die umgebende Gletscherwelt: Das spaltenreiche Schlatenkees mit dem Oberen Keesboden, das sich nahezu bis zum Gipfel erstreckt, das Äußere Mullwitzkees und das Innere Mullwitzkees. Nach einer kurzen Gipfelrast ging´s weiter zum letzten Ziel, der Schwarzen Wand (3511 m). Auf dem Weg dorthin trafen wir die zweite Seilschaft an diesem Tag, die, in Begleitung eines Bergführers, richtig gespenstisch plötzlich aus dem Nebel heraustrat. Den Gipfel der Schwarzen Wand, dem vierthöchsten Gipfel der Venedigergruppe, erreichten wir über einen kurzen Blockgrat.    

Auf dem Rückweg navigierte uns Sigi zielsicher und absolut kompetent über das spaltenreiche Schlatenkees. Wir waren ratzfatz wieder bei der Neuen Prager Hütte, wo wir eine kurze Kaffeepause einlegten und die traumhafte Tour beim Anblick der Gletscherwelt nochmals Revue passieren ließen.

Während des Abstiegs zurück nach Innergschlöß staunten wir über die schöne Landschaft, die sich am Freitag beim Aufstieg im Nebel vor uns versteckte. Den letzten Teil des Weges zu Matreier Tauernhaus kürzten wir mit dem Venedigertaxi ab.

Auf der Terrasse des Matreier Tauernhauses ließen wir uns ein wohlverdientes Essen schmecken und stießen auf unsere Traumtour an. Am Nebentisch saß eine Gruppe junger Leute, die sich, in Begleitung eines Bergführers, nach uns von der Prager Hütte auf den Weg zum Großvenediger gemacht hatte. Sie sahen den Schein der Stirnlampen unserer Seilschaft in der Dämmerung und erzählten uns, wie „magic“ das auf sie gewirkt hat.

Sigis Tourenplanung war so perfekt, dass wir sogar rechtzeitig zum EM-Endspiel Spanien gegen England wieder daheim waren.

Zum Schluss wieder moi an sackrischen Dank an unseren klasse Tourenführer Sigi für die Organisation dieser unvergesslich tollen Tour, es war oafach magic 😉 Und natürlich aa ein Dankeschön an unsere fitte Gruppe für die starke Leistung! Diese Zeit soll uns erst mal einer nachmachen!